Urlaub, Ferien, Freiheit!

Ja, der Sommer ist für uns alle mit vielen schönen Erinnerungen an die Ferien verbunden. Die Ferien in der Kindheit, mit den Gerüchen, den Menschen, der Hitze, das alles ist heute nicht mehr so. Deshalb möchte ich hier einige meiner Erinnerungen aufschreiben. Wenn Sie auch solche Kindheitserlebnisse haben und sie hier veröffentlicht werden sollen, dann schreiben Sie mir einfach.

Mein Opa war Bauer. Er hatte einen Hof in Fenken bei Ravensburg, damals ein Flecken mit Bushaltestelle, einer Wirtschaft mit dem einzigen Telefon im Ort und zwei Spielautomaten. Sonntags, wenn andere in die Kirche gingen, durfte ich mit Opa in diese Wirtschaft und solange bis er sein Bier getrunken hat, durfte ich an den Automaten meine zwei Zehner verspielen. Manchmal kamen zum Glück drei oder vier heraus, wenn ich gewonnen hatte. Aber meist war mein Spiel schnell beendet. Aber davon wollte ich eigentlich nicht erzählen, das gibt es heute ja auch noch und ist nichts empfehlenswertes.

Eine leere von Bäumen gesäumte Straße.


Mein Großvater hatte einen Hof mit Kühen, Schweinen, Enten, Hühnern und auch zwei seiner erwachsenen Kinder lebten dort mit ihm zusammen. Meine Großmutter ist früh gestorben, da war ich zwei Jahre alt, aber zum Glück hinterließ sie dem Opa sieben Kinder, so dass er sich nicht alleine fühlte. Die älteste der Töchter war meine Mutter, sie hat noch vor dem Krieg die Flucht ergriffen. Sie wollte lieber einen Beruf erlernen und war dann im Krieg in Berlin beim Wetterdienst.

Die zweitälteste Tochter ging in die Schweiz als Bedienung, aber die beiden Söhne und zwei der anderen Töchter halfen zu Hause bis sie heirateten. So gab es genug Helfer auf dem Hof, einige Zeit trug er auch noch zwei Taglöhner und eine Magd.

Wir, meine Eltern und ich, wohnten in Esslingen bei den Eltern meines Vaters. Die Reise zum anderen Großbater war damals nicht einfach, weil wir in der amerikanischen Zone wohnten und der Opa mütterlicherseits in der französischen Zone. Als ich ganz klein war musste man die jede Besuchsfahrt genehmigen lassen. Aber später ging es problemlos, bald war diese Zeit vergessen.

Als ich zur Schule ging durfte ich die Bahnfahrt zum Opa ganz alleine machen, das war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. In Esslingen brachte mich meine Mutter auf dem Bahnhof zum Schaffner, der den Auftrag bekam, etwas auf mich zu achten und dafür zu sorgen, dass ich in Ravensburg ausstieg. Das erste Erlebnis war dann in Geislingen der Lokwechsel: Da der Albaufstieg nicht mit einer Lokomotive vorne zu meistern war, wurde sie hinten an den Zug gesetzt. Sie tuckerte dann auf dem Nebengleis dampfend vorbei und bald erklang der Pfiff, alles startklar hieß das. Und jetzt ging es ganz langsam bergauf. In meiner Erinnerung wurde die Lok dann nicht mehr nach vorne geholt, blieb also bis Friedrichshafen hinten.

Aufregend war der Halt in Ulm. Dort kamen kleine Wagen an den Zug, bei denen man Proviant kaufen konnte, Süßigkeiten, warme oder kalte Getränke. Da wurde dann von jemandem im Abteil das Fenster geöffnet und dem Menschen, der den Wagen schob, gewunken. Der kam an das Fenster, nahm die Bestellung entgegen und versorgte dann mit dem Gewünschten. Ich hatte mir immer Taschengeld gespart und kaufte mir die sonst streng verbotene Cola. Welch ein Genuss!

Zum aussteigen in Ravensburg brauchte ich den Schaffner nicht, ich stand schon zwei Haltestellen vorher an der Türe. Auf den Bahnhöfen musste man zu dieser Zeit noch Geld bezahlen, wenn man ohne Fahrkarte dort stehen wollte oder jemanden abholen. Deshalb wartete mein Empfangskomitee immer vor dem Bahnhof - wenn überhaupt jemand kam. Manchmal hat man mich einach vergessen, denn meine Ankunft wurde per Brief mitgeteilt und wenn dann am aktuellen Tag irgend etwas Unvorhergesehens auf dem Hof passierte, dacht nieman mehr an mich. Manchmal ging ich mit Köfferchen dann einfach die Straße entlang und schaute, ob noch jemand kommt, manchmal fuhr ich mit dem Bus hoch, es waren etwa 4 km, immer den Berg hoch. Aber normalerweise wurde ich ja abgeholt, entweder mit dem Traktor, einem Ochsenfuhrwerk oder mit dem Fahrrad, wo ich dann auf dem Sattel den Berg hochgeschoben wurde von der Tante oder dem Onkel.


Mein Zimmer war eines der Mägdezimmer, klein aber gemütlich mit einem herrlich weichen Bett. Ich fand die durchgelegene Matratze in Form einer Hängematte einfach luxuriös. Sie war gefüllt mit Seegras, das man auch etwas aufschütteln konnte, die Decken und Kissen enthielten selbstgerupfte Gänsedaunen. Ich durfte der Magd zusehen, wie sie die Gänse rupfte und von wo Daunen stammen. Niemals wäre eine Feder hineingekommen! Nur reinste Daunen sollten es sein, damit nichts supft und den Schlaf stört. Der alte Kleiderschrank roch nach "Mensch", heute würde ich sagen, er roch nach Schweiß. Im Nachttisch war ein Bottschamber - was das ist? Ein Nachttopf! Das ist abgewandeltes Französisch und sollte woh heißen "pot de chambres". Ehrlich, ich erinnere mich nicht daran, wo wir uns gewaschen haben. Ich glaube, es war am Spültisch in der Küche, gebadet hat man damals am Wochenende in der Waschküche, wo die Wäsche in großen Kesseln gewaschen worden ist.

Wenn ich aufgestanden bin, saßen in der Küche am großen Tisch meistens alle beim Frühstück. Nachdem die Kühe gemolken und der Stall in Ordnung gebracht war, traf man sich dort, um die Arbeit des Tages zu verteilen. Die Männer gingen auf das Feld, das hieß im August zur Ferienzeit entweder Getreide ernten oder Heu einbringen. Für mich begann der Tag damit, dass ich mit einem Korb ausgestattet auf Eiersuche ging. Im Hühnerstalle hat das schon ganz früh die Magd gemacht, aber Hühner legen ihre Eier nicht nur in den Stall, sondern gerne auch einmal ins Heu in der Scheune. Das hat Spaß gemacht, mit der Leiter hochzusteigen und die Hauvorräte nach verborgenen Nestern abzusuchen!

Später durfte ich dann den Männern ihr Vesper bringen: In großen tönerenen Flaschen den Most, dazu belegte Brote. Das ganze transpotierte ich in einemen Leiterwagen. Auf den Feldern wurde ich freudig begrüßt und mein Wagen war bald leer. Da hatte ich Zeit, den Wldrand nach Beeren abzusuchen. Es gab die aromatischsten Walderdbeeren, Himbeeren und Brombeeren. Für den Heimweg setzte ich mich in den Leiterwagen und versuchte, mit den Füßen abzustoßen und den Wagen auf dem Weg ins rollen zu bringen. Wenn der Weg ein weinig Gefälle hatte, gelang mir das, aber meist stieg ich doch lieber aus und ging zu Fuß, den Wagen ziehend.

Wenn dann einmal die große Ernte anstand und das Korn oder Heu eingefahren werden sollte, durfte ich mit aufs Feld und den Traktor fahren! Ganz langsam, immer von einer Heinze zur anderen, so dass zügig aufgeladen werden konnte. Natürlich hatte Opa das fahren mit mir vorher immer wieder geübt, aber ich war so stolz über meine Aufgabe! Auf dem Heimweg durften alle Helfer auf dem Wagen Platz nehmen, ganz weit oben auf dem Heu, das war herrlich! Im Hof angekommen wurde das Heu dann in der Scheuer abgeladen und duftete einladend, am liebsten hätte ich im Heu geschlafen bei Nacht, aber das war streng verboten. Frisches Heu neigt dazu sich zu entzünden, deshalb wurde es auch erst später ganz oben an Ort und Stelle verstaut.

Abends war ich rechtschaffen müde. Wir Frauen saßen noch eine Weile im Garten, sahen den spielenden jungen Kätzchen zu und berieten, ob und wann wir aus den Beeren Marmelade machen würden. Manchmal sangen wir, bis der Mond kam, alte Küchenlieder von Herzschmerz und Krieg. Und dann war es dunkel, alle Tiere waren im Stall und wir gingen schlafen.

Für heute soll es damit genug sein, aber ich werde natürlich noch einige Abenteuer berichten, vielleicht im Herbst, denn so war es früher immer, dass dann an den langen dunklen Tagen in der warmen Stube erzählt wurde.

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