Nähe oder Distanz

Blühender Kirschbaum im Frühling.Hier ist ein Blog zu diesem Thema verlinkt

Nähe oder Distanz - wieviel ist nötig?

 

Manchmal wünsche ich mir sehr, dass irgendjemand da ist, der mir die Hand hält, mir gut zuredet oder mit mir über meine Ängste und Befürchtungen redet. Aber ganz selten gibt es diesen Menschen, der solche Nähe aushalten kann. Eltern, Kinder und gute Freunde können es manchmal, ganz gute Freunde vielleicht auch, aber auch völlig Fremde Menschen haben mir schon manchmal geholfen, in solchen Situationen den Weg zu finden, der genau für mich der richtige ist.

Nähe ist Kindheitserfahrung

Eine geborgene Kindheit ist wichtig für die Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens. Dabei spielt die Nähe zu Bezugspersonen die entscheidende Rolle, es müssen immer die gleichen Menschen sein, die dem Kind Nähe und Geborgenheit vermitteln.

Was diese Bezugsperson für eine entscheidende Bedeutung hat, konnte man früher in den Kinderheimen bei den Säuglingen ganz deutlich beobachten. Kinder in Kinderheimen waren entweder Waisen oder ungewollte Kinder, zur Adoption freigegeben. Man bezeichnet das dann als

Hospitalismus

Der Wiener Psychoanalytiker René A. Spitz (1887-1974) beobachtete in den 60er Jahren u.a. in Waisenhäusern und Säuglingsstationen von Frauengefängnissen die Wichtigkeit der mütterlichen Zuwendung und sprach in diesem Zusammenhang von einer "Gefühlsmangelkrankheit". Durch unsere verbesserten Lebensumstände und nicht zuletzt die Untersuchungen der modernen Psychoanalyse gehört das Krankheitsbild des Hospitalismus heute nahezu der Vergangenheit an. Was bleibt, ist die überaus wichtige Erkenntnis einer liebevollen und verantwortungsbewussten Erziehung von Säuglingen und Kindern.

Ganz besonders wichtig für die Entwicklung einer Bindungsfähigkeit ist das Alter vom 6. bis zum 10. Monat. Kinder, die in einer solchen Art nicht genug Betreuung erfahren haben, zeigen häufig Verhaltensauffälligkeiten. Im Kleinkindalter ist das Daumenlutschen, Bettnässen, mit dem Oberkörper schaukeln zur Beruhigung. Sie sind immer auf Körperkontakt zu Erwachsenen aus, auch zu fremden Menschen, sind sehr eifersüchtig und können sich in Gruppen (Kindergarten, Hort) nur sehr schwer einordnen.

Hospitalismus im Erwachsenenalter

Auch Erwachsene können an einem Hospitalismus-Syndrom erkranken, wenn sie lange Zeit in sehr eintöniger Umgebung mit wenig menschlichen Kontakten verbringen. Man spricht dann auch vom Kaspar-Hauser-Syndrom. Das kann geschehen, wenn Menschen einsam in einer Wohnung hausen, ohne Kontakte nach aussen. Auch in Altenheimen kommen solche Situationen vor, weil das Personal überfordert oder gleichgültig ist. Ein anderer Bereich von Betroffenen sind Menschen mit Behinderungen, die vielleicht blind, taub, schwerhörig sind und keine Kontakte aufnehmen können.

Mangel an menschlichen Kontakten

Ob im Arbeitsleben oder in der Freizeit, es ist von ganz entscheidender Bedeutung, das Mensch gelernt haben, in Kontakt zu anderen zu treten. Es wird uns heute nicht gerade leicht gemacht, im Beruf ist Leistung gefragt, Kooperation ist eher negativ behaftet, man könnte ja die Kontakte für persönliche Gespräche nutzen.

Früher spielten die Kinder im Freien mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft. Heute sitzen viele vor dem Fernseher, vor Videospielen oder werden von den Eltern zu intellektuellen Höchstleistungen getrimmt durch Nachhilfe und Leistungkurse. Wenn solche Kinder erwachsen werden, wird sich nichts wesentliches in ihrem Verhalten ändern, entweder sitzt man faul vor der Glotze oder man arbeitet bis zum Umfallen. Die Fähigkeit, mit echten Menschen zu reden, sich zu verabreden, etwas gemeinsam zu unternehmen wird nie geübt.


 

Distanz halten

Eine Nahaufnahme von bunten, gezuckerten Süßwaren.So schwer es für manche Menschen ist, Nähe zuzulassen, so schwer ist es für andere, eine gewisse Distanz einzuhalten. Manchmal haben Mitmenschen ein sogenanntes "Helfersyndrom", sie sind immer und zu jeder Zeit mit Ratschlägen parat. Anscheinend denken sie, andere könnten nur überleben, wenn sie ihnen sagen, welcher Schritt vor dem nächsten kommt. Sie meinen es gut, sie wollen "nur" helfen, aber sie stehen einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung im Wege. Zu gegeben, mir geht das als Mutter von erwachsenen Kindern manchmal so, dass ich aus dem reichen Schatz meines persönlichen Lebens gerne Warnungen und Empfehlungen verteile. Leider werden sie selten mit Dank angenommen, sondern meist mit einem mitleidigen Lächlen.

Zu viel Distanz

Wenn einmal wieder in der Presse ein Fall von Kindesmisshandlung geschildert wird, fragt man sich, ob die Nachbarn, die Freunde, nichts bemerkt haben. Oder wenn Menschen wochenlang tot in der Wohnung gelegen haben, bis sie gefunden wurden, hat da niemand geschaut? Doch, meist ist schon irgend etwas aufgefallen, aber "man" hat sich nicht getraut, "etwas" zu tun. Oder da setzt sich ein Passant dafür ein, dass sich prügelnde Jungendliche getrennt werden und wird selbst von ihnen angegriffen. Die Umstehenden greifen nicht ein, sehen, aber tun nichts. Kann man das alles nur auf unsere "Zeit" schieben, die eben so ist wie sie ist? Wer angegriffen wird, erwartet Hilfe, auch von völlig Fremden. Im Beruf sind solche Situationen an der Tagesordnung: Eine Kollege wird von anderen schickaniert, vom Chef schlecht behandelt und alle schauen zu und sind froh, dass es nicht sie selbst getroffen hat.

 

 

 


Wünsche und Erwartungen

Meist ist es dem einzelnen Menschen selbst nicht so richtig bewusst, wie viel Nähe er zulassen kann oder möchte, erst wenn die Grenze über- oder unterschritten wird, empfindet man das als unangenehm. Wenn man jetzt nicht reagiert, ist eine Chance vertan, solche Ereignisse zu vermeiden.

Was würde helfen?

"Danke, ich komme klar." Das wäre ein Satz, um zu viel Nähe zu vermeiden.

"Stop, ich mache das anders!" Wäre ein gesprochens "Stop"-Schild, wenn jemand zu dicht herangekommen ist.

"Könntest du / könnten Sie mir kurz helfen, indem sie . . . " fordert zur Verringerung von Distanz auf, dabei sollte möglichst genau die art der Unterstützung, die Dauer, der Umfang angesprochen werden.

"Ich finde Sie / dich sehr interessant, könnten wir vielleicht (über ein Thema, Aktionen, Unternehmungen) den Kontakt vertiefen?" Das lässt Raum für ein ja, ein nein oder auch ein vielleicht.

"Mich würde interessieren, wie Sie über (ein Thema, ein Ereignis) denken, hätten Sie Interesse daran, mit mir darüber zu reden?" Es ist ein Angebot von mehr Nähe, das eventuell die Distanz verringern kann.

Nähe und Distanz im Internet

Nirgends wird so viel gelogen wie in den Foren des Internets. Was ist Lüge?

Sicher wissen Sie auch eine Geschichte zum Thema Weihnachtsmann: irgendwann wussten wir alle, dass dahinter ein realer Mensch steckt, und doch möchten wir an den guten Alten glauben. So ähnlich ist das im Internet. Da hat es jede Menge nette Menschen, schön und klug, freudlich -solange alles nach ihrer Idee läuft. Aber einige davon sind so echt wie der Weihnachtsmann. Sie wollen aber keine Geschenke bringen, sondern im besten Falle "nur" ihre wahre Identität verbergen, im schlimmsten Fall haben sie kriminelle Absichten. Dazu zählt Kindesmissbrauch, Heiratsschwindel und noch einige andere Straftatbestände.

Dazu ist es notwendig, so viel wie möglich über das ausgespähte Opfer zu erfahren. Das geht wunderschön, wenn man sich als Freund in allen Lebenslagen ausgibt. Virtuell ist das ganz einfach, man muss dabei ja nicht einmal den Müll runterbringen oder mal einen Kaffee ausgeben. Deshalb ist es im Internet immer ganz gut, eine gesunde Portion Distanz zwischenzuschalten.

niemand muss wissen, wo ich wohne

niemand muss meine Telefonnummer wissen

niemand muss wissen, wann, wie lange und ob überhaupt ich zu Hause bin oder nicht

Das ist Selbstschutz und hat nichts mit lügen zu tun. Es ist einfach notwendige Vorsicht.

Natürlich gibt es auch einige völlig harmlose anonyme Figuren. Sei es, dass sie im "real Life" nicht erkannt werden wollten (so wie ich) und sich einen Zwitnick zulegen aus diesem Grunde. Manchmal sind es auch Organisationen, die etwas bewirken wollen und dazu nicht offen agieren können, um nicht auf den ersten Blick die Privatpersonen dahinter öffentlich zu machen. Wer trotzdem sucht, bis er oder sie die Verantwortlichen gefunden zu haben glaubt, tut sich und der anderen Person nichts Gutes. Es grenzt an Stalking und kann auch so geahndet werden, wenn irgendwelch Rufmord-Kampanien gestartet werden.

In Chats wird manchmal geflirtet auf Teufel komm raus. Da entstehen Lieben, leidenschaftlich und heiß! In so einem Chatroom war ich einmal und habe mich köstlich über die Anmachsprüche eines netten Herren amüsiert. Meine Freundinnen im Chat wollte ich vom Charme des Herren Kenntnis geben und habe ihnen per PN (Privatnachricht) seine Sprüche zukommen lassen. Statt lustiger Kommentare haben sich zwei meiner Freundinnen wortlos verabschiedet. Einige Zeit später habe ich dann erfahren, dass dieser Herr die gleichen Sprüche auch an sie geschickt hat. Statt nun mit dem fiesen Typ beleidigt zu sein, waren sie sauer auf mich. Verstehe einer die Welt!

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